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10.03.2020

Merle Clasen und Thomas Krug begeisterten die Zuhörerinnen und Zuhörer im Vereinshaus, darunter Stefanie Teuteberg (l.) und Bürgermeisterin Silke Engler.
Merle Clasen und Thomas Krug begeisterten die Zuhörerinnen und Zuhörer im Vereinshaus, darunter Stefanie Teuteberg (l.) und Bürgermeisterin Silke Engler.

Aufbruch und Elend im „goldenen Jahrzehnt“

Spannender Rückblick auf die 1920-er Jahre beim Frauentag in Baunatal

Moderne, emanzipierte Frauen mit Bubikopf, Federboa und Zigarettenspitze; sprühende Lebenslust in verqualmten und aufgeheizten Nachtclubs, schrill und bunt, ein freches und immer auch frivoles Lebensgefühl - dieses Bild von den vermeintlich „Goldenen Zwanzigern“ hat man nicht erst seit „Babylon Berlin“ im Kopf. Doch war die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wirklich so aufregend und spannend, wie sie heute mit manchmal auch eher verklärtem Blick dargestellt wird? Diese Frage beschäftigte am Sonntagabend die Besucherinnen - auch einige Männer waren gekommen - anlässlich des Internationalen Frauentags im Vereinshaus Am Erlenbach.

Dazu eingeladen hatte das Baunataler Frauenbüro. Für Stefanie Teuteberg war es die erste Veranstaltung als neue Frauenbeauftragte der Stadt Baunatal. Anschaulich stellte sie die konträren Seiten des Frauenlebens im „Goldenen Jahrzehnt“ dar. Da gab es durchaus die schillernde Zeit des Aufbruchs, des Mutes und der Emanzipation. „Es wurde wild gefeiert und getanzt. Die neue Freizügigkeit explodierte geradezu“, beschrieb Stefanie Teuteberg den neuen Zeitgeist, der sich besonders im Getümmel der Hauptstadt Berlin widergespiegelt habe. Frauen waren berufstätig, es habe auch eine sexuelle Befreiung gegeben und durch das Wahlrecht konnten Frauen endlich auch politisch mitbestimmen.

Doch es gab in den Zwanzigern vor allem die vielen Frauen, für die das Jahrzehnt alles andere als „golden“ war, berichtete die Frauenbeauftragte von Elend, Dunkelheit und Verzweiflung. Da waren die Arbeiterinnen, die in den Fabriken unter extrem schlechten Bedingungen mit für den Lebensunterhalt sorgen mussten, ebenso die Frauen in den ländlichen Bereichen. Viele Frauen waren nach wie vor der Willkür der Männer ausgesetzt und in den Städten sei etlichen Frauen nur der Weg in die Prostitution geblieben. Stefanie Teuteberg erinnerte auch an die unterschiedlichen Lebenswege vieler starker und mutiger Frauen in den Zwanzigern, darunter die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker, die Politikerin Elisabeth Selbert aus Kassel sowie Frauenrechtlerin Marie Juchacz; aber auch an den ihrer eigenen Großmutter, die als junge Frau in Calden in nicht einfachen Verhältnissen lebte.

Im Anschluss versetzte Merle Clasen, die von Thomas Krug am Piano begleitet wurde, die Besucherinnen mit ihren teils heiteren, teils bissigen Original-Chansons unter anderem von Kurt Weill und Friedrich Hollaender mitten ins „goldene Zeitalter“.

Für ihre gelungene „Premierenveranstaltung“ erhielt Stefanie Teuteberg viel Lob, dem sich auch Bürgermeisterin Silke Engler anschloss. Sie appellierte u.a. an Frauen, sich noch verstärkter in der Politik einzubringen. „Wir alle gestalten unser Zuhause vor Ort. Kommen Sie in die Kommunalpolitik, wir brauchen weitere Frauen, die sich einsetzen und engagieren“ sagte die Bürgermeisterin.


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